Alle reden davon, wie schlau ChatGPT 4 jetzt ist. Aber was macht die künstliche Intelligenz eigentlich mit unserer menschlichen Intelligenz, wenn sie immer schlauer wird? Wahrscheinlich macht sie uns dümmer.

Waaaas? Das kann doch gar nicht sein, denkst du jetzt vielleicht. Schließlich gibt uns ChatGPT doch Zugang zu Billionen von Wissen-Häppchen und spuckt diese dann toll aufbereitet aus. Da kann man sich doch alles erklären lassen. Und das stimmt auch. Aber genau da liegt das Problem. Denn es gibt etwas, das nennt man externes Gedächtnis. Und das kam so:

Ganz früher, also so richtig früher, da erzählten sich die Menschen Geschichten, um ihre eigene Geschichte weiterzugeben. Irgendwann, nicht mehr ganz so früher, kam man auf die Idee, dass man diese Geschichten auch aufschreiben könnte. Und man hatte zum ersten Mal eine Möglichkeit, Informationen außerhalb von Gehirnen zu speichern.

Sprung ins 20. Jahrhundert. Die Menschen sitzen in Büros. Computer sind noch kein Thema. ChatGPT ist kein Hype. Aber etwas anderes ist in aller Munde. Ein kleiner gelber Zettel. Das Post-it. Übrigens eine Marke, die es geschafft hat, ihren Namen als Kategorie-Begriff zu etablieren. Grüsse an Tempo gehen raus.

Das Post-it ist das Poster Child für externes Gedächtnis. Millionen von Sekretärinnen haben Zettel an Schreibtische, Telefone, Akten geklebt, damit sie wichtige Infos nicht vergessen. Oder damit andere wichtige Infos bekommen. Schnell mal ein Post-it geschrieben, dann ist der Gedanke festgehalten. „Bitte unterschreiben“ „Kinder abholen“ „Bier ist im Kühlschrank“ „Kredit für Verlobungsring beantragen“ und was sonst noch alles wurde nicht mehr in unseren Köpfen gespeichert, sondern ins externe Gedächtnis übertragen.

Post-its haben es sogar bis an die Monitore in modernen Büros geschafft. Wahrscheinlich sind die kleinen Zettel der beliebteste Ort, um Passwörter aufzuschreiben. Und sie dann unter das Telefon zu kleben. Oder unter die Tastatur. Nicht wahr? Naja, wie auch immer. Jedenfalls führte die Benutzung von Post-its dazu, dass wir immer weniger Dinge wirklich in unserem Kopf abspeicherten. Und die Merkfähigkeit wurde weniger. Wir wurden ein bisschen dümmer.

Dann kam google. Und Wikipedia. Und das iPhone. Die Evolution des externen Gedächtnisses nahm richtig Fahrt auf. Denn plötzlich musste man nichts mehr wissen. Alles liess sich in Sekundenschnelle nachgucken. Smartphone raus, Stichwort eingeben und schwupps, liefert google die Antwort, liefert Wikipedia den Artikel, finden sich zig Quellen, die das Thema behandeln.

Das Wissen der Menschheit ist für jeden verfügbar, aber jeder hat weniger Wissen.

Auftritt ChatGPT. Der vorerst letzte Schritt auf unserer Reise in die geistige Abhängigkeit. Unser Wissen ist jetzt nicht nur extern gespeichert, es kann auch extern erzeugt werden. Bisher mussten wir immer weniger nachdenken, bald können wir uns das Denken an sich sparen. Zumindest in vielen Bereichen. Dort, wo wir von google und Wiki noch Antworten bekamen, liefert ChatGPT uns jetzt auch die Fragen. Wir müssen nichts mehr selber wissen. Wir müssen nicht einmal mehr wissen, wo etwas zu finden ist.

Wir brauchen nur noch den einen Ansprechpartner ChatGPT. Der erzählt uns unsere Geschichte. Fast so wie ganz früher, als der Häuptling am Lagerfeuer hockte und alle ihm gespannt zuhörten, während er SEINE Version der Geschichte erzählte.

Diese Mischung aus Wissen und eigener Interpretation, die keiner hinterfragte.


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